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The Remains of Disembodied Cuisine von TC&AP
Tissue
Culture & Art Project präsentieren eine Videoinstallation,
die ihre 2003 in der Ausstellung "L'art Biotech" im französischen
Nantes gezeigte Arbeit "Disembodied Cuisine" dokumentiert. Damals
züchtete TC&AP vor den Augen des Publikums aus einer unsterblichen
Zelllinie von der Kaulquappe eines Frosches (Xenopus laevis) einen separaten
"Schenkel". Dies geschah mit Hilfe einer sich täglich wiederholenden
Performance bei der unter Laborbedingungen die Nährstofflösung
ausgetauscht wurde, mit der das entstehende Zellgewebe in einem dafür
geeigneten Behältnis am Leben gehalten wurde. Am Ende der Ausstellung
wurde "das Steak" gebraten und von Gästen während
eines Diners im Nouvelle-Cuisine-Stil verspeist, während vier Xenopus
laevis und weitere, von lokalen Händlern gerettete Frösche im
benachbarten Terrarium herumhüpften und quakten. Nach dem Essen ließen
die Künstler die Tiere im Botanischen Garten von Nantes frei. Die
in der Ausstellung "Put On Your Blue Genes" gezeigten Videos
von "The Remains of Disembodied Cuisine" halten den gesamten
Verlauf der Arbeit von TC&AP in Nantes fest, vom Beginn der Züchtung
des Fleischstücks bis zur Aussetzung der Frösche.
"Disembodied
Cuisine" kann als ironischer Kommentar auf die Verheißungen
einer technologisch vermittelten, opferlosen Utopie verstanden werden.
Die Arbeit reiht sich ein in die Serie so genannter Halb-Lebendiger, die
das Tissue Culture & Art Project seit 1996 aus tierischem wie menschlichem
Gewebe gezüchtet und auf Ausstellungen in aller Welt (vor der "L'art
Biotech", auch auf der Ars Electronica 1999 (2000?) in Linz oder
bei "BioFeel - Art & Biology" 2002 in Perth) gezeigt hat.
Diese provozierenden Objekte, so TC&AP "stellen einen Verstoß
gegen viele unserer Kategorisierungen von Leben und Körpern dar".
Im Laufe der letzten Jahre statteten sie die "Halb-Lebendigen"
mit symbolischen und rituellen Bedeutungen aus (wie in ihrer Arbeit "Worry
Dolls"), konstruierten diese lebendigen Skulpturen als dysfunktionale
mythologische Objekte ("The Pig Wings") oder als Organe ohne
Körper (wie "Extra Scale ¼ Ear", einer Kooperation
mit dem australischen Künstler Stelarc, der sich ein drittes Ohr
an seinem Körper anbringen lassen wollte). TC&AP möchte
mit seiner Arbeit auf die Diskrepanz zwischen der herrschenden anthropozentrischen
Ethik einerseits und dem Forschungsstand der Biotechnologie sowie realen
Praxen in den Labors von Instituten und Unternehmen andererseits hinweisen.
Es bestehe, so TC&AP, sowohl eine Fürsorglichkeit für lebende
Systeme als auch deren Instrumentalisierung und Ausbeutung für ökonomische
und andere Zwecke.
Das Tissue Culture & Art Project besteht
aus den Künstlern Oron Catts, Ionat Zurr und Guy Ben-Ary. Diese sind
artists in residence bei SymbioticA, einem künstlerischen Forschungslabor
an der University of West Australia in Perth, das sie 1999 mitgegründet
haben. Es ermöglicht TC&AP aber auch anderen Künstlern die
Nutzung der Einrichtungen der School of Anatomy and Biology an der Universität
sowie die Zusammenarbeit mit den dortigen Naturwissenschaftlern. Seit
dem Bestehen SymbioticAs haben sich dort verschiedene Künstler (u.a.
Martha de Menezes und Adam Zaretsky) mit biotechnologischen Verfahren
vertraut gemacht. TC&AP gibt aber auch andernorts praktische Einführungen
in die Methoden der Biotechnologie für Künstler. Im Rahmen der
Ausstellung "Put on Your Blue Genes" werden Oron Catts und Ionat
Zurr auf einer Veranstaltung über die Wirksamkeit verschiedener,
künstlerischer Reflektionen der sozialen und politischen Effekte
von Biotechnologien diskutieren.
read more: Gewebe
der Ent-Täuschung. Interview mit Oron Catts, Tissue Culture &
Art Project (PDF)
read more: www.symbiotica.uwa.edu.au
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