fermeture / ouvert
Eine Micro-Ausstellung von hybrid video tracks


Videoinstallation zur Inszenierung und Architektur des öffentlichen Raums während des G-8-Gipfels in Evian, Videos, Lesebar, Flipcharts



Galerie Stil & Bruch, Admiralstr. 17, Berlin-Kreuzberg
Öffnungszeiten: 15.8. – 24.8.03
jeweils Do-So: 17-20 Uhr

Eröffnung: Donnerstag 14. August 03, 20 Uhr



mit & von:
hybrid videotracks
ak kraak; Yes-Men, GINA, noborder-network, Geneva03Live-Stream-Team, Beta Bodega Coalition, Fotografenagentur version.


Worum geht's?
Ausgangspunkt der Ausstellung bilden die Proteste gegen den G-8 Gipfel in Evian im Juni dieses Jahres. Im Zentrum steht dabei eine Videoinstallation der AusstellungsmacherInnen, welche die Auswirkungen untersucht, die das Spektakel „G-8 Gipfel“ auf den öffentlichen Raum zeitigt. Ausnahmezustand und die Normalität des Alltags äußern sich in der Architektur der aus Sicherheitsgründen verbarrikadierten Städte Genf und Lausanne. Komplette Häuserfassaden werden bis in die oberen Stockwerke mit Holzplatten verschalt, die von den AktivistInnen wieder abmontiert und zu Straßenbarrikaden aufgeschichtet werden. Geschäfte und Straßen werden geschlossen und wieder geöffnet. Polizei und Demonstranten marschieren in unterschiedlichen Formationen über leere Straßen und Autobahnen. Die Stadt wird zu einem surrealen Kunstraum für Graffittimaler und Glasereibetriebe. Die langen Einstellungen des weitestgehend tonlosen Videos bieten - ebenso wie die ergänzend gezeigten Fotografien von Christian Ditsch, die während des EU-Gipfels in Thessaloniki einige Wochen später entstanden - die Möglichkeit, die vielfach ritualisierten Inszenierungen der „Macht“ und des „Protestes“ neu zu reflektieren.

Die Ausstellung bleibt jedoch nicht bei einer Kritik leerer Macht- und Protestrituale stehen. Im zweiten Raum der Galerie wird der Betrachter in Anlehnung an eine inhaltlich sehr pointierte Demonstration, die im Vorfeld des G-8 Gipfels unter dem Motto „open borders – open source“ stattfand, durch das UN-Viertel Genfs geleitet. An den verschiedenen Infopoints werden wesentliche Schlüsselinstitutionen, wie die Welthandelsorganisation (WTO), das Internationale Office For Migration (IOM) oder die World Intellectual Property Organisation (WIPO), herausgestellt und mit der fundierten Kritik der Bewegung konfrontiert. Mehr noch: die Ausstellung verweist hier auch auf politische und (sub)kulturelle Praxen, die über jenes „Gipfel-Hopping“ mit dem die Bewegung von Protestevent zu Protestevent mobilisiert, hinausgehen.
So zeigt die global angelegte IOM-Watch-Kampagne des no-border-networks wie eine Institution, die die Speerspitze eines internationalen „migration managements“ darstellt, mit ihren Machenschaften - die von logistischer Hilfe beim Aufbau moderner Grenzsicherung, über das Ausspionieren von Fluchtrouten bis zur menschenunwürdigen Lager-Einschließung von Migrantinnen reichen - langsam unter öffentliche Kritik gerät.
Im Gegensatz dazu gelingt es den Yes-Men, sogar ausgewiesene Anhänger der Freihandelsideologie durch eine strategisch betriebenen Überidentifizierung mit den neoliberalen Prinzipien der WTO zu verunsichern. Die Yes-Men betrieben in diesem Zusammenhang nicht nur ein fake-webseite mit Kritik an der WTO, sondern sorgen nun auch dafür, daß mit einer einfachen, kostenlosen software jede/r die Internetauftritte von mißliebigen Institutionen reproduzieren und mit einer gehörigen Portion von Kritik selbst ins Netz stellen kann. (erhältlich unter: http://www.reamweaver.com)
Dass die von der WTO vorangetriebene Deregulierung der Märkte dort ihre Grenzen findet, wo vermeintliche private Profitinteressen auf dem Spiel stehen, beweist auch die Auseinandersetzung um eine Regulierung des Internet. MedienaktivistInnen aus aller Welt mobilisieren aus diesem Grund bereits heute zum UN-World Summit On The Information Society (WSIS) Ende des Jahres in Genf, auf dem u.a. über die zukünftige Bedeutung von freiem und kostenlosen Informationszugang, von open-source Software, peer-to-peer-Netzwerken u.v.a. verhandelt werden wird. Einer der Hauptakteure, der sich dort entgegen der Interessen der Zivilgesellschaft für eine weitere Regulierung und Kommerzialisierung des Internets einsetzt, ist die WIPO.

Während diese kurze simulierte Demonstrationsroute eindrücklich einige Stärken global agierender AktivistInnen-Netzwerke heraushebt, verweist das Ende der Ausstellung jedoch auf die zahlreichen, virulenten Widersprüche und Konflikte innerhalb der Bewegung. Ausschnitte aus dem Video „Arme, reiche Welt“ von dem Berliner Videoprojekt ak kraak veranschaulichen anhand des letztjährigen Weltsozialforums in Porte Allegre, die Heterogenität der - vereinfachend unter dem Schlagwort „Anti-Globalisierungsbewegung“ zusammengefassten - globalen Bewegung der Bewegungen. Gibt es tatsächlich Gemeinsamkeiten zwischen den rappenden Straßenkids der Favelas und Landlosenbewegung auf der einen Seite und prominenten Bewegungsintellektuellen aus den nördlichen Metropolen auf der anderen Seite?
Das elektronische DJ- und Musikprojekt Beta Bodega Coalition will jedenfalls nicht nur erneut Musik und Politik zusammenbringen, sondern versucht explizit die Sichtweisen Lateinamerikas in die Subkulturen und Märkte des Nordens zu tragen.

fermeture / ouvert - Der Titel der Ausstellung ist Programm. Es geht um soziale Aus- und Einschlussmechanismen, um das Öffnen oder Schließen von Räumen, Grenzen, Denk- und Handlungsmöglichkeiten.

weitere Informationen unter:

www.noborder.org/iom/index.php
www.worldsummit2003.de
http://theyesmen.org
www.akkraak.squat.net
www.betabodega.com


Infos zu:
>> WIPO
>> WTO
>> IOM

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hybrid video tracks 2003
Stand: 16.09.2003